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Die wundersame Rettung oder wie alles begann.

Miranda sollte als 20 jährige Hannoveraner Zuchtstute zum Schlachter gehen, weil sie zwei Totgeburten hatte. Ihr gesamtes Leben verbrachte sie beim selben Züchter, der sie einfach ausrangierte, nur weil sie keinen Gewinn mehr für ihn brachte. Viele Jahre verdiente er gut, da Miranda ein erstklassiges Fohlen nach dem anderen auf die Welt brachte. Jetzt war er nicht einmal bereit, ihr das Gnadenbrot zu geben.

Zum Glück für Miranda, erfuhr ich hiervon. Der Zufall spielte dabei eine Rolle. Auf meiner frühen Morgenrunde mit meinen Hunden traf ich oft diesen besagten Züchter. Er fuhr zur gleichen Zeit mit dem Fahrrad zu der Weide, wo Miranda, Mirandas Tochter und zwei ihrer Enkeltöchter standen. Ich wusste, dass er Hannoveraner züchtete und sprach immer ein paar Worte mit ihm. An diesem Morgen fragte ich, ob schon ein Fohlen da wäre. Dies bejahte er, ein Hengstfohlen war gerade auf die Welt gekommen. „Eigentlich wären es zwei“, sagte er, „aber eins war ne Totgeburt“. Das sei sicher traurig für ihn, bemerkte ich. Ja, das wäre ein blöder Verlust und sei schon im letzten Jahr so gewesen, war seine Antwort.
„Bei derselben Stute?“ fragte ich.
„Ja, bei derselben Stute“, antwortete er.

Auf meine Frage wie alt die Stute sei, meinte er, 20 Jahre. Ich sagte zu ihm: „In diesem Alter würde ich sie auch nicht mehr belegen lassen. Vielleicht ist sie einfach zu alt? Das ist ja so, als ob meine Oma ein Baby bekommen sollte.“
„Ne, das mache ich auch nicht mehr.“ meinte er.
Da ich keine Ahnung von Pferdzucht und den Gepflogenheiten der Züchter hatte, sagte ich naiv: „Na dann bekommt sie ja jetzt ihr Gnadenbrot.“
Der Mann druckste etwas herum, sagte aber nichts.
„Oder geht die zum Schlachter?“ fragte ich.
„Ja, die geht zum Schlachter!“ war seine Antwort.
Ich war fassungslos! Fragte ihn, ob er nicht ein schlechtes Gewissen hätte? Das ganze Leben hatte er an dem Tier verdient und jetzt war er nicht einmal bereit, ihr das Gnadenbrot zu geben. Was er durchaus konnte, denn genug Platz und finanzielle Mittel waren vorhanden. Aber ein schlechtes Gewissen hatte er nicht, das sei eben so…, antworte er lapidar. „Wenn ein Pferd nichts mehr bringt, geht es zum Schlachter. Das war schon immer so!“ erklärte er mir mit einer Überzeugung, die mich nur staunen ließ.

Ziemlich aufgewühlt ging ich meine Runde mit den Hunden weiter. Zuhause ging mir das Gespräch und das Schicksal der Stute nicht mehr aus dem Kopf. Ich empfand es als eine riesengroße Ungerechtigkeit, dass er das Pferd einfach so entsorgen wollte. Wusste dieser Mensch nicht, dass alles was wir tun, auf uns zurück kommt? Wusste er nicht was es heißt, Verantwortung für ein Lebewesen zu tragen? Konnte man ein Pferd einfach so wegwerfen, weil es keinen Profit mehr brachte? Im Laufe der nächsten Wochen sollte ich lernen, dass das bei Pferden nichts ungewöhnliches war.

Da ich nun von dem Schicksal der Stute erfahren hatte, musste ich auch etwas unternehmen. Ich konnte nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergehen, wegschauen und Miranda einfach schlachten lassen. Es ließ mir keine Ruhe! Aber wie rettet man ein Pferd? Einen Hund unterzubringen ist wesentlich einfacher. Erst einmal fing ich an herumzutelefonieren. Alle Menschen die ich kannte und die etwas mit Tierschutz oder Pferden zu tun hatten, erzählte ich von der Geschichte. Die Tierschützer gaben mir Telefonnummern von anderen Tierschützern, aber niemand konnte oder wollte Miranda aufnehmen.

Die Pferdeleute reagierten unterschiedlich. Bei einigen stieß ich auf Unverständnis. Milde lächelnd erklärte man mir, dass das eben so sei. Ein altes Pferd gehöre zum Schlachter und kein Mensch würde sich für so etwas einsetzen. Ich ließ mich trotzdem nicht aufhalten, nur mein Mut sank ein bisschen. Ich dachte oft an Miranda und fragte mich, ob ich ihr helfen konnte. Ich spürte die Verantwortung und hatte Angst zu versagen.

Obwohl ich noch kein Stückchen weiter gekommen war, erzählte ich dem Züchter, ich hätte einen Interessenten für die Stute gefunden. Komischerweise wollte er das Pferd aber gar nicht verkaufen. Sie sollte zum Schlachter gehen! Nach einigem vorsichtigen Drängen meinerseits war er doch bereit, das Pferd zu verkaufen. Er wollte den Schlachtpreis von 500.- Euro haben und sie sollte nur dorthin gehen, wo sie es gut hatte. Sie sollte nicht leiden, das war seine Bedingung! Ich war sprachlos. Aus diesem Menschen wurde ich nicht schlau. Einerseits ging er wirklich gut mit seinen Pferden um. Sie hatten bei ihm nichts auszustehen, waren gut erzogen und vertrauten ihm. Andererseits konnte er Miranda so herzlos schlachten lassen!

Auf meine Bitte, die Stute für die Interessenten (die es ja gar nicht gab) zu fotografieren, ging er ein. Also machte ich Fotos von dem schönen Tier. Dabei sah ich die Stute zum ersten Mal. Miranda war wirklich ein Schatz! Ganz ruhig und ausgeglichen stand sie da, mit viel zu langen Hufen. Die hatte der Züchter nicht mehr machen lassen. Das lohnt ja nicht, bei einem Pferd das eh zum Schlachter ging. Bei den jungen Zuchtstuten waren die Hufe tadellos in Ordnung.

Da die Zeit knapp wurde und ich immer noch keinen neuen Besitzer gefunden hatte, erzählte ich jetzt jedem Menschen von Miranda, egal ob der das hören wollte oder nicht! Sogar an einer Tankstelle, erzählte ich meine Geschichte einem Mann mit Pferdeanhänger, mit dem Hannoveraner-Zeichen drauf, der zufällig neben mir tankte. Er war sehr nett, hörte mir höflich zu, hatte aber schon ein Rentnerpferd und wollte kein Zweites.

Durch meine Hartnäckigkeit, verbreitete sich die Geschichte weiter. Landete mein Hilferuf auf einigen Internetseiten und lief durch mehrere Tierschutzverteiler. Da geschah plötzlich ein kleines Wunder: Eine Welle der Anteilnahme und Hilfsbereitschaft kam zu mir zurück! Viele Menschen wollten der Stute helfen, am Leben zu bleiben. Ich erhielt sehr viele Anrufe und Mails, in denen sich Menschen nach Miranda erkundigten. Die fragten, ob sie noch am Leben wäre.

Darunter gab es auch einige, die direkt helfen wollten. Langsam fügten sich die einzelnen Puzzle-Steinchen zusammen, die ein Ganzes ergeben. Eine großzügige Dame spendete den Schlachtpreis. Ich hatte immer noch niemanden gefunden, der ein altes und unreitbares Pferd aufnehmen konnte oder wollte. Trotzdem bat ich den Züchter, die Hufe der Stute machen zu lassen. Obwohl ich immer noch nicht wusste wohin mit der Stute, tat ich so, als hätte ich einen Käufer. Der Züchter stimmte zu und so konnte ich mich mit dem Schmied auf der Weide treffen.

Auch beim Hufe ausschneiden zeigte Miranda wie ausgeglichen und freundlich sie war. Dieses tolle Tier war gesund, schmerzfrei und umgänglich. Ich konnte es immer weniger verstehen, wie man so ein Tier schlachten lassen konnte. Sie gab brav die Hufe und stand ganz ruhig, bis der Schmied fertig war. Ich freute mich sehr, als sie wieder vernünftig laufen konnte!

Ein geeigneter Endplatz für Miranda war einfach nicht zu finden. Bevor sie doch noch zum Schlachter ging musste ich eine Lösung finden. Die Zeit drängte. Dann ergab sich plötzlich durch weitere Spenden und einer Patenschaft die Möglichkeit, Miranda zu mir zu nehmen. Ich hatte den Platz, es gab einen alten, baufälligen Pferdestall und eine Weide, die allerdings lange leer stand und nicht eingezäunt war. Es fanden sich freiwillige Helfer, die ihre Arbeitszeit und -Kraft spendeten. Sie halfen den alten Stall zu reparieren und die Weide einzuzäunen. Da Miranda nicht allein stehen konnte, bekam noch ein zweites Pferd einen Gnadenbrotplatz. Der alte Wallach Bachus war der glückliche, denn er wäre sonst auch geschlachtet worden.

Wie wir die notwendigen Arbeiten erledigten, wie Miranda und Bachus in ihr neues Zuhause zogen und welche Abenteuer wir erlebten, könnt ihr in ausführlichen Berichten auf diesem Blog verfolgen. Wir haben alle Ereignisse genau festgehalten, wobei die ersten Jahre mittlerweile ins Archiv gewandert sind. Dafür einfach rechts auf den Monatsnamen und das Jahr klicken.

Eine Bitte haben wir auch:

Bitte helft Miranda und ihren Freunden auch weiterhin.

VIELEN DANK!!!